Es ist erstaunlich, wie hoch ein kleines Schaf springen kann. Sogar das Lamm selbst scheint überrascht von sich zu sein. Es entdeckt zum ersten Mal seine Kräfte, hüpft weit über die Wiesen und Hügel.
Auch Kinder springen gerne herum, und wenn Erwachsene tanzen oder joggen, dann ist auch darin immer noch diese Lust am Herumspringen spürbar.
Und hat nicht auch unser Geist, genau wie unser Körper, diesen Impuls, hin und wieder hinausspringen zu wollen? Die Gedanken in die Lüfte zu erheben, leicht und
befreit? Einfach mal heraus aus der gewohnten Gedankenmühle.
Warum nicht hier und jetzt, in dieser Sekunde?
Empfinden, was jetzt gerade um mich herum
ist. Wo bin ich in diesem Moment?
Welche Menschen umgeben mich, welche Dinge?
Was höre ich gerade?
Was rieche, schmecke, fühle ich?
Darin kann es geschehen, dass ich alles so wahrnehme, als sei es zum allerersten Mal.
Ich besinne mich auf einmal darauf, dass ich lebendig bin.
Was ist das Leben? Was passiert hier?
Was bedeutet diese Reise von der Geburt bis zum Tod?
Jetzt hier zu sein, das ist doch das Ergebnis all jener Momente, die davor waren, die unbeschwerten wie die ausweglosen, die Durchbrüche und Irrwege, die atemberaubenden Leidenschaften wie die vertrauten kleinen Dinge.
Tage und Nächte, in denen alles wie von selbst lief, und andere, an denen wirklich alles schiefging.
Die gelebte Zeit ist nicht verloren. Was immer das Leben auch ist - es ist ein Geschenk.
Von Gott.
Es kann auch geschehen, dass ich eine plötzliche Anwandlung von Liebe und Frieden fühle.
Wie eine pulsierende Sehnsucht, oder auch eine Welle, eine Ahnung, ein spontanes Wohlgefühl, trotz allem, und zwar nicht nur wie in der Redewendung „Alles gut“, sondern viel viel weiter.
Aber nach jedem geistigen Höhenflug landet man wieder auf dem Boden, und wenn es gut geht, landet man auf allen Vieren.
Hat der Alltag uns dann wieder, alles wie immer?
Oder ist es möglich, dass solch ein Sekundenglück in der Alltagsrealität weiterwirkt?
Dies haben die Jüngerinnen und Jünger erlebt, im Geheimnis der Auferstehung. Sie haben den auferstandenen Christus erfahren, in kurzen Begegnungen von höchster Intensität, in denen das Zeitgefühl wohl aufgehoben war.
Sie können diese Momente nicht festhalten, aber sie können hinter ihrer Erfahrung auch nicht mehr zurück. Sie springen und laufen in ein neues Leben und verkündigen es in alle Welt.
Sie glauben, dass das Geschenk des Lebens nicht aufhört, sondern ewig ist.
Und sie glauben, dass mit Christus die Vergebung Gottes in die Welt gekommen ist.
Wie befreiend ist es, über seinen eigenen Schatten zu springen, anderen zu vergeben und sie um Vergebung bitten!
Vergebung unterbricht den alten Trott und löst die sich im Kreis drehenden Diskussionen.
Vergebung gibt uns Lebenszeit zurück, in der wir uns lebendig, weit und wohl fühlen.
Diese Möglichkeit wurde uns von Gott geschenkt, wie auch das Leben selbst.
Vergebung macht unser Herz leicht und weit und stellt unsere Füße auf weiten Freiraum, sei es im Springen, im Schweben oder im Landen.
Annerose De Cruyenaere