Aussendungsrede Jesu, Matthäusevangelium Kap. 10, 5-15

Es war der 24. Februar 1209.

Franziskus stieg den Hügel von Assisi hinab, ging durch einen schattigen Eichenwald, hinein in eine winzige Kapelle mit dem Namen Maria degli Angeli. Hier nahm er an der Feier der heiligen Messe teil. Es wurde dort genau derselbe Evangeliumstext verlesen wie heute und hier bei uns, aus dem Matthäusevangelium Kapitel 10.

Als Franziskus diesen Text hörte, hat dies sein Leben umgekrempelt, sowie die Geschichte der Christenheit und damit der Welt. Das also kann passieren, wenn man diesen Text hört - dies nur als Warnhinweis nebenbei.

„Geht aber und predigt und sprecht:

Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.

Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus.

Umsonst habt ihr’s empfangen, umsonst gebt es auch.

Ihr sollt weder Gold noch Silber noch Kupfer in euren Gürteln haben, auch keine Tasche für den Weg, auch nicht zwei Hemden, keine Schuhe, auch keinen Stab.“

Als Franziskus diese Worte hörte, rief er laut aus:

„Das ist es doch, was ich wünsche!

Das ist, was ich will!

Das ist, was ich ersehne zu tun, mit meinem ganzen Herzen!“

Franziskus wirft alles von sich, was er nicht braucht.

Kleidet sich genau wie in der Anweisung. mit einer einfachen Tunika statt Gürtel einen Strick Keine Schuhe, sondern barfuss.

Er gab der Kapelle den zärtlichen Spitznamen „Portiuncula“, das kleine Teilchen. Die ersten franziskanischen Brüder versammelten sich dort, hausten drumherum im Wald in einfachen Hütten aus Stöcken und Blättern. Bald wurden es Hunderte Brüder.

Und Clara brachte die Schwestern dazu.

Die Brüder zogen umher und kamen in die Häuser, und wer sie aufnahm, gab ihnen Brot und Wein und ein Dach über dem Kopf für die Nacht.

Als Gegenleistung erlebten die Gastgebenden die Fülle Gottes in diesen seltsamen ärmlichen Gästen, die von weit her gekommen waren, um Frieden und Gutes in ihr Haus zu bringen mit ihrem Gruß: "Pace et Bene".

Es gab immer wieder gesellschaftliche Strömungen, in denen die Sehnsucht nach einem einfachen Pilgerleben von Neuem lebendig wurde:

Die Armutsbewegungen im Mittelalter.

Die Frömmigkeitbewegungen in der Neuzeit.

DIe konsumkritische Hippiebewegung „All you need is love“,

und in der Gegenwart Die Gemeinschaft von Taizé,

sowie der neue Trend des Pilgerns, besonders im Pilgerweg nach Santiago de Compostela - ich bin dann mal weg. 

Aber wie geht das konkret, mit dem einfachen Leben?

Das wollte ich wissen, und so besuchte ich - schon vor längerer Zeit - den Franziskanerbruder Georg Schmaußer im Kloster Dietfurt im Allgäu.

Es war ein kühler Oktobertag. Der Franziskanerbruder war barfuss. „Komm mit, nach draussen!“ sagte er.

Überall sah er die Tiere die Vögel unter dem Himmel und den kleinen Frosch auf dem Boden. Jedes Tier begrüsste er enthusiastisch.

Ich fragte ihn: „Läufst Du immer barfuss?“

„Ja, nur wenn der Boden friert, dann trage ich Sandalen.“

Ich erzählte ihm, wieviele Paar Schuhe ich in in meinem Schuhschrank hatte. Er lachte herzlich.

Er lief leichtfüssig, ich lief schwerfüssig in meinen großen Stiefeln - doch schliesslich tat ich es ihm gleich und zog die Stiefel aus.

Unbeschwert und frei lief ich nun barfuss, spürte den weichen Waldboden unter meinen Fuss-Sohlen und den matschigen kalten Boden zwischen meinen Zehen. Wir sprangen ausgelassen über Wege und Felder.

Aber so schön die Vorstellung ist, frei in der Natur umher zu springen und ein Pilgerleben zu führen, die Realität, unsere Verpflichtungen holen uns da ganz schnell wieder ein.

Unsere Verantwortungen, der Beruf, die Kinder und Enkelkinder, oder die alten Eltern, für die man sorgen muss und will.

Wie können wir im Alltag franziskanisch leben, wenn wir nicht umherziehen können, sondern sesshaft leben wollen, und müssen?

Es gibt durchaus Wege.

Man kann sich fragen: Was braucht man tatsächlich?

Das ist meist viel weniger, als man meint. Viele Menschen versuchen zur Zeit, mit weniger zu leben, Dinge wegzuschenken, oder sie gar nicht erst zu kaufen. Manche ziehen gar in ein kleines Haus auf Rädern.

Oder Menschen tun sich zusammen Um weniger Ressourcen zu verbrauchen.

Wenn man weniger besitzt Man muss sich schlichtweg um weniger Sachen kümmern.

Eigentum verpflichtet, sagt das Grundgesetz, und es macht auch Mühe. Die vielen technischen Dinge, die wir besitzen und benutzen und betreuen, die beanspruchen unsere Aufmerksamkeit. Sie kosten uns mehr Zeit, als sie uns einsparen. Einfachheit hingegen gibt Zeit frei, für wichtigere Dinge im Leben.

Zum einfachen Leben gehört auch: Dass man teilt und gastfreundlich lebt.

Das Pilgern hat ja zwei Seiten: Es muss ja auch die Leute geben mit einer Stabilität des Ortes - welche die umherziehenden Pilger & Pilgerinnen beherbergen können. Schliesslich gab es ja auch in der Gemeinschaft von Jesus jene Unterstützerinnen - meist Frauen - die für ein Dach über den Kopf sorgten und für Brot und Wein auf dem Tisch.

Auch Gastfreundschaft kann einfach sein. Dies ist sogar hilfreich, meinte Frère Roger, der Gründer von der Brüdergemeinschaft von Taize, und sagte:

„Nimmst du andere bei dir auf, beeinträchtigen allzu reichliche Mittel die Gastfreundschaft, anstatt sie zu entfalten. Bei gemeinsamen Mahlzeiten zeigt sich der Geist des Festes in der Einfachheit. Teilen bringt es mit sich, deine Wohnung zu einem Ort des Friedens zu machen, wo man wohlwollend aufeinander zugeht. Dem Geist der Armut nach dem Evangelium entspricht es auch, alles fantasievoll in die schlichte Schönheit der Schöpfung zu versetzen.“

Wer gastfreundlich ist, erlebt Fülle. Denn es ist schön, wenn Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen und Biographien gemeinsam an unserem Tisch sitzen. Wenn sich in den eigenen vier Wänden der Horizont weitet und das Herz öffnet.

Und wenn man den Menschen zuhört, die tatsächlich aufgebrochen sind, in grösstmöglicher Einfachheit, zwar nicht ohne Tasche, aber mit leichtem Gepäck, nicht barfuss, aber mit einfachen Sandalen.

Die Möglichkeit, sich selbst auf den Weg zu machen, für einige Wochen, oder länger, steht uns durchaus offen.

Und jeder und jede wird wissen, wann im Leben der richtige Zeitpunkt ist, und die Gelegenheit.

Unterwegs kann man erfahren, dass gerade die Einfachheit Begegnungen herausfordert und fördert.

Einander helfen, im Sturm das Zelt aufzubauen.

Tipps geben, wo es Wasser gibt Feuerholz bekommen - oder abgeben.

Einander beim Feuermachen helfen.

Das Frühstück teilen, mit dem, was noch im Gepäck ist Immer wieder auch eine Kirche sehen am Horizont egal, welche Konfession.

Heissen Tee oder Kaffee bekommen.

Die Kleidung und die nassen Wollsocken über der Heizung trocknen..

Erfahren, was wirklich nötig ist zum Überleben und darauf vertrauen, es zu finden

Wenn man den Weg verloren hat sich wiederfinden an Orten an denen man nie gelandet wäre, hatte man es geplant.

Und vor allem: immer und immer wieder gastfreundlich aufgenommen werden sich begegnen sich verabschieden

und manchmal Freundschaften fürs Leben finden.

Einfachheit sei es unterwegs sei es Zuhause schafft Raum für die Liebe.

Und die gibt es umsonst.

Das Faszinierende daran ist: Wenn man Liebe weitergibt gibt man sie nicht weg von sich selbst, sondern Liebe wird ja bekanntlich mehr wenn man sie teilt.

Die Liebe ist ein unbegrenztes Gut.

Was für ein wundervoller Gegenpol zur Konsumwelt In einer Realität der begrenzten Güter, wo jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann.

Liebe hingegen kostet nichts. Wir können einander unbezahlbare Momente geben so viel wir wollen umsonst und geschenkt Liebe drückt man auch dadurch aus, dass man Dinge miteinander teilt.

Ambrosius von Mailand schrieb im 4. Jahrhundert:

„Die Erde wurde als gemeinsames Gut für alle erschaffen. Die Natur kennt keine Reichen. Du gibst dem Armen nicht etwa von deinem Besitz, sondern erstattest ihm einen Teil des seinen zurück.“

Wir schöpfen aus der ewig sprudelnden Quelle aus der Fülle aus der unbegrenzten Liebe in der das Himmelreich nahe kommt.

Umsonst habt ihr’s empfangen Umsonst gebt es auch.

Diese Fülle ist an Pilgerorten besonders spürbar, wie z.B. in Santiago de Compostela, Vezelay, Taizé, Iona, oder auch: Assisi…

Auch in jener Kapelle Portiuncula. Franziskus spürte dort die Anwesenheit Gottes, seine unendliche Vergebung. In dieser Kapelle war Franziskus auch gestorben.

Trotz des fortwährenden Pilgerstroms ist es unglaublich still in der Kapelle. Hier spürte ich die Fülle der Liebe Gottes Zum Greifen nahe Die Luft war golden und dicht davon.

Die Worte von Franziskus klangen mir im Ohr, die er hier ausgerufen hatte:

„Das ist es doch, was ich wünsche!

Das ist, was ich will!

Das ist, was ich ersehne zu tun, mit meinem ganzen Herzen!"

Amen.

Annerose De Cruyenaere


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